Artikel aus der Ärztezeitung vom 27.03.2012 27. März 2012 – Veröffentlicht in: Allgemein


Kommentar des Experten

Gut beraten können Diabetiker heute überall hin reisen

Gut eingestellte Diabetiker fühlen sich gesund und wollen auf Reisen nicht verzichten. Auf die Belastungen sollten sie aber richtig reagieren können.

Von Prof. Hellmut Mehnert

Im Urlaub und auf Reisen sind Diabetiker – wie andere Menschen auch – meist aktiver als sonst. Wenn sich die Patienten aber mehr bewegen, besteht bei gleichbleibender Medikation eine Unterzuckerungsgefahr. Grundsätzlich lässt sich deswegen die Kohlenhydratzufuhr erhöhen oder die Insulin- und/oder Tablettentherapie verringern. Letzteres betrifft in der Regel nur die Sulfonylharnstoffe, während die ebenfalls insulinotropen Gliptine nicht zu Hypoglykämien führen.

Die Ernährung auf Reisen ist nicht so problematisch, wenn der Diabetiker seine Nahrungsmengen abzuschätzen gelernt hat. Es gilt: Die Personenwaage ist wichtiger als die Küchenwaage. Entscheidend sind das diätetische Augenmaß und die Beachtung des Körpergewichtes.

Patienten mit Insulintherapie sollten zudem wissen: Insulin verliert auch in heißen Ländern nicht seine Blutzuckersenkende Wirkung. Allerdings sind bei der Lagerung des Medikaments direkte Hitzeeinwirkungen zu vermeiden. Die Temperatur von Insulin sollte in der Regel 25 ° C nicht überschreiten, keinesfalls aber auf über 40° C ansteigen. In besonders heißen Gegenden ist daher die Aufbewahrung der Insulinpräparate in einer kleinen Kühltasche zu empfehlen. Das Hormon muss dabei aber im richtigen Temperaturbereich gelagert werden.

Viele Kühltaschen genügen hier nicht den Anforderungen, denn auch bei zu niedrigen Temperaturen wird die Wirksamkeit des Hormons beeinträchtigt. Die Pharmaunternehmen empfehlen optimale Lagertemperaturen für Insulin von 2°  bis 8° C. Bei niedrigeren Temperaturen besteht die Gefahr, dass die Insulinlösungen oder Suspensionen ganz oder teilweise gefrieren. Damit kommt es zur sogenannten Fibrillenbildung, wodurch die biologische Wirkung des Insulins verloren geht. Womöglich werden durch das veränderte Insulin auch immunologische Reaktionen hervorgerufen. Weitere mögliche Probleme bei Lagerung und Transport von Insulin sind Haarisse in Ampullen oder Spritzen, die das Eindringen von Toxinen oder Infektionserregern ermöglichen.

Wegen möglicher Kontrollen auf der Reise – zum Beispiel am Flughafen – ist Patienten, besonders wenn sie Insulin und Spritzen mitführen, die Mitnahme eines Diabetikerausweises zu empfehlen. In dem Ausweis sollte die Wichtigkeit der Insulinbehandlung auch in Fremdsprachen vermerkt sein. Außerdem sind Patienten darauf hinzuweisen, dass sie besonders auf die für das Reiseland empfohlenen Impfungen achten sollten. Infektionen können nämlich für den Stoffwechsel der Patienten verheerend sein. Probleme für die Stoffwechseleinstellungen ergeben sich, wenn Diabetiker mehrere Zeitzonen überfliegen. Prinzipiell gilt: Verlängert sich dabei der Tag beträchtlich, braucht man mehr Insulin, eventuell eine zusätzliche Injektion. Umgekehrt verringert sich die Insulindosis – wenn ein Flug den Reisetag stark verkürzt.

Im Falle einer Infektion ist es ganz besonders wichtig, Insulin oder andere Blutzuckersenkende Pharmaka nicht ganz wegzulassen, auch wenn man fast nichts isst. Natürlich benötigt auch der hungernde Organismus Basalinsulin, da sonst eine diabetische Kezazidose entstehen kann. Jetzt zeigt sich, ob ein Diabetiker wirklich mit seiner Blutzuckerselbstkontrolle umgehen kann. In Zweifelsfällen sollte ein Patient lieber einfach steuerbare, kurz wirkende Insuline spritzen, um nicht unangenehme Hypoglykämien zu bekommen. Die Erfahrung lehrt aber: Wenn akute Zweiterkrankungen auftreten, ist die Blutzuckererhöhung die größere Gefahr als die Hypoglykämie.

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